Was bedeutet die Berufung eines Chief Learning Officer (CLO)?

Chief Learning Officer gibt die Lernstrategie vor

Mohanna Azarmandi wurde im Jahr 2018 zum ersten Chief Learning Officer von Microsoft Deutschland benannt, nachdem sie dort zuvor für fast 3 Jahre als Head of Employee Learning tätig bzw. verantwortlich war. Angeregt durch ein Interview von ihr und resümierend aus zahlreichen Gesprächen mit verschiedensten Verantwortlichen im Bereich der unternehmerischen Weiterbildung, kann die Berufung eines CLO definitiv als das eindrücklichste Statement für die berufliche Personalentwicklung bezeichnet werden.

Wie macht sich nun diese priorisierte Gewichtung in der Stellenbeschreibung bzw. im Praxisalltag oft bemerkbar? Genau daran wage ich mich mit diesem Editorial heran. Die jetzt folgenden vier Kernbereiche stellen hierbei die potenziellen Unterschiede zu der niedriger eingeordneten Eingliederungsalternative eines typischen Head of Employee Development oder ähnlichen Stellenprofils in konservativer ausgerichteten Organigrammen dar.

Die 4 Kernthemen beim Einsatz eines Chief Learning Officer (CLO):

  1. Erweiterung: Die oft mit einer Berufung eines CLO einhergehende Erweiterung der zuvor exklusiv nach innen gerichteten Verantwortlichkeit für die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter führt zur omnidirektionalen Streuung der Lern- und Weiterbildungsaktivitäten auf alle internen und externen Stakeholder hinaus. Diese neue Reichweite umschließt auch Kunden, Interessenten, Partner, Lieferanten, Studenten und teilweise auch Schüler bzw. Vereinsmitglieder.

  2. Aufwertung: Durch die Aufwertung dieses Unternehmensbereichs wird dabei der Status eines Leuchtturmprojekts mit Signalwirkung und Vorbildfunktion nach innen und außen übernommen. Dies wird besonders beim immer wichtiger werdenden Employer Branding im Wettbewerb um zukünftige Mitarbeiter ersichtlich. Parallel dazu wird der gegenwärtigen Belegschaft ebenso klar signalisiert, dass die organisatorische und individuelle Kompetenzentwicklung keine Phrase ist. Ein weiterer enorm kritischer Aspekt dieser Aufwertung ist der strategisch verankerte Executive Buy-in dieses Kernthemas, welches die Handlungsgeschwindigkeit und den Ressourcenfaktor überproportional erhöht.

  3. Angleichung: Die nun höher liegenden Messlatten für die gesamtorganisatorischen Lernaktivitäten zielen in erster Instanz auf die Absicherung der unternehmerischen Zukunftsfähigkeit ab – mit Fokus auf die Ressource Mensch. In zweiter Instanz rückt die strategische und operative Angleichung an die Unternehmensausrichtung in den Vordergrund. Die elementaren Fragen dabei können wie folgt lauten:

    • Welchen Digitalisierungsgrad hat bzw. sollte das Unternehmen auf Trainingsebene innehaben?

    • Wie schaut es um das Thema Diversität und Inkludierung bei uns aus (z.B. mit Blick auf das Sprachangebot)?

    • Spiegelt sich unsere Unternehmenskultur auch in der Lernkultur wider?

    • Leben wir auch auf Lernebene eine Partnerschaft mit dem Betriebsrat vor?

  4. Befähigung: Mehr als bei der klassischen Top-Down- versus Bottom-Up-Diskussion, geht es bei dem so wichtigen und auch emotionalen Thema der Weiterbildung darum, die Stakeholder zu befähigen und zu bevollmächtigen. Dies gelingt nur durch eine stringente Demokratisierung der Maßnahmenvergabe, einer Flexibilisierung der Zugangswege, -arten und -zeiten sowie der Förderung von Individualität auf Soll- und Ist-Ebene. Die Delfinaufgabe stellt dann die mittel- bis langfristige Dezentralisierung der Content-Kuration und -Erstellung für alle internen Fachexperten und Enthusiasten mit den nötigen Bordmitteln oder Stand-alone-Lösungen (z.B. einem Autorentool) dar.

Grafik zum Aufgabenfeld eines CLO

Werden alle benannten Punkte von einem CLO umgesetzt, könnte eine Vision für die Akademie wie folgt aussehen:

Im Rahmen der Recherchen zu einer Bachelor-Thesis wird eine Studentin auf das webbasierte Lernportal des Automobilherstellers aufmerksam. Dort absolviert sie kostenfrei und unkompliziert ein paar relevante E-Learning-Kurse zum gewählten Thema der Thesis. Im Gegenzug erhielt der Hersteller eine Newsletter-Anmeldung ihrerseits. Die nächsten Monate wird die Studentin nun per Email mit inhaltlich gehaltreichen Mitteilungen versorgt. Diese werden gemeinsam von der klassischen HR-Abteilung (zum Thema Employer Branding) und der L&D-Abteilung (interessante Brancheninhalte) gestaltet.

Nach dem Studium reicht die vom Hersteller angetane Studentin eine Initiativbewerbung dort ein und wird vom Hersteller zum Ausleseprozess zugelassen. Für diesen verwendet der Hersteller eine gesonderte LMS-Instanz (nur für externe Teilnehmer) und konfrontiert dort die Bewerber mit asynchronen Lerninhalten und -aufgaben. Dieser Prozess mündet in den persönlichen Gesprächen mit den Recruitern und in unserem Beispiel mit der erfolgreichen Einstellung. Die soeben erwähnte LMS-Instanz fungiert zwischen Vertragsunterschrift und Arbeitseintritt für das Preboarding. Hier wird die baldige Mitarbeiterin bereits mit ihrem neuen Arbeitgeber und Aufgabenbereich vertraut gemacht (in asynchroner Art und Weise). Als offizielle Mitarbeiterin erhält sie anschließend Zugang zur internen LMS-Hauptinstanz und wird ab jetzt auch mit hybriden Lernformaten und Onboarding-Maßnahmen konfrontiert.

Das Onboarding konnte dank der effektiv miteinander verzahnten Elemente bereits nach 12 Wochen (+ Preboarding) realisiert werden. Der von der Mitarbeiterin übernommene Aufgabenbereich spiegelt den zuvor von ihr geschätzten Innovationsgrad im Recruiting- & Onboarding-Prozess wider. Nach final erfolgter Eingliederung wird mit der Führungskraft gemeinsam ein Entwicklungsplan abgesprochen (tendenziell eher Top-Down orientiert) und anschließend werden ihr im LMS die dazu passenden Schulungspläne zugeordnet. Im Rahmen dieser digitalen Lernplattform findet sich zudem im Kurskatalog ein breites Angebot an frei auswählbaren Weiterbildungsaktivitäten. Mit diesen fühlt sie sich auch in ihren individuellen Interessen und Zielen gestärkt.

Im zweiten Zugehörigkeitsjahr fließt seitens der Führungskraft immer mehr an diesen eigenständig von der Mitarbeiterin ausgewählten Themen und Interessen in den Entwicklungsplan ein und resultiert in einer schrittweisen Spezialisierung von ihr im besagten Aufgabenfeld. Um von genau diesem Expertenwissen organisationsweit zu profitieren, wird sie sukzessiv in die Kuration und Erstellung von fachbezogenen Lerninhalten eingebunden und gewährleistet somit für den Automobilhersteller die nachhaltige Wissenskonservierung, die interne Wissensstreuung und die ROI-kritische Mitarbeiterbindung.

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